Ein Kohlekraftwerk (Symbolbild).
Quelle: - © Danicek/ iStock / Getty Images Plus / Getty Images
Google
Nicolas Fuchs Nicolas Fuchs
Nicolas Fuchs Nicolas Fuchs
Nicolas ist seit 2016 Redakteur bei ARIVA.DE. Seine Expertise in der technischen Analyse und sein Engagement für genaue Prognosen machen ihn zu einer wertvollen Ressource für die Community, die auf aussagekräftige News angewiesen ist.

 |  aufrufe Aufrufe: 1872

RWE entgeht Milliardenrisiko - Gericht weist Klimaklage aus Peru ab

Das Oberlandesgericht Hamm hat die Klimaklage des peruanischen Landwirts Saúl Luciano Lliuya gegen RWE abgewiesen. Damit bleibt die Haftung einzelner Emittenten für globale Klimaschäden vorerst juristisch nicht durchsetzbar.
play Anhören
share Teilen
feedback Feedback
copy Kopieren
newsletter
ARIVA Newsletter
RWE AG 34,935 € RWE AG Chart 0,00%
Zugehörige Wertpapiere:

Urteil in Hamm: Kein Schadensersatzanspruch gegen RWE wegen Klimawandel

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat am 28. Mai 2025 nach fast zehn Jahren einen vielbeachteten Musterprozess entschieden: Die Zivilklage des peruanischen Landwirts und Bergführers Saúl Luciano Lliuya gegen den deutschen Energiekonzern RWE wurde abgewiesen. Der Kläger hatte argumentiert, dass die Emissionen von RWE mitverantwortlich für das Abschmelzen eines Gletschers in seiner Heimatstadt Huaraz seien, wodurch sein Haus und die Region einem erhöhten Hochwasserrisiko ausgesetzt seien. Eine Haftung des Unternehmens konnte das Gericht jedoch nicht feststellen. Die Entscheidung ist endgültig – eine Berufung wurde ausgeschlossen.

Das Urteil markiert einen Wendepunkt im internationalen Diskurs um Unternehmensverantwortung für Klimafolgen und zeigt, welche juristischen Hürden bei der Durchsetzung solcher Klagen bestehen. Obwohl die Klägerseite von einem „Meilenstein“ spricht, bleiben finanzielle Forderungen an fossile Großemittenten damit juristisch schwer durchsetzbar – zumindest nach deutschem Recht.

Hintergrund des Verfahrens: Ein peruanischer Bauer gegen einen Energieriesen

Saúl Luciano Lliuya, ein 44-jähriger Landwirt aus Huaraz in den peruanischen Anden, hatte 2015 gegen RWE geklagt. Unterstützt von der Umweltorganisation Germanwatch forderte er Schadensersatz in Höhe von 17.500 US-Dollar – einem Anteil von 0,47 % an den geschätzten 3,5 Millionen Dollar (Dollarkurs) für ein lokales Hochwasserschutzprojekt. Diese Zahl basiert auf Berechnungen der Universität Oxford, wonach RWE für rund 0,47 % der globalen, menschengemachten CO₂-Emissionen seit der industriellen Revolution verantwortlich ist.

Die Klage war weltweit einzigartig: Erstmals sollte ein Unternehmen aus dem Globalen Norden für Klimaschäden im Globalen Süden haftbar gemacht werden. Das Verfahren galt daher als Pilotfall für zukünftige Klimaklagen.

Prozessverlauf: Zehn Jahre juristische Auseinandersetzung

Der Fall wurde zunächst vom Landgericht Essen abgewiesen. 2017 entschied das OLG Hamm jedoch, das Verfahren als zulässig einzustufen – ein juristisches Novum, das international Aufmerksamkeit erregte. In einem beispiellosen Schritt reiste eine Delegation deutscher Richter sowie zwei Sachverständige im Frühjahr 2023 nach Peru, um vor Ort Beweise zu erheben. Sie untersuchten die geologische und hydrologische Situation des Gletschersees Palcacocha oberhalb der Stadt Huaraz, dessen angeschwollenes Volumen als potenzielle Gefahr für Lliuyas Haus identifiziert wurde.

In der abschließenden Beweisaufnahme kamen die Gerichtsgutachter jedoch zu dem Ergebnis, dass das Risiko für eine Überflutung des Grundstücks des Klägers sehr gering sei. Die Wahrscheinlichkeit eines derartigen Ereignisses in den nächsten 30 Jahren liege bei nur einem Prozent. Auch im Fall einer Flut seien keine nennenswerten Schäden am Haus zu erwarten. Ein von der Klägerseite beauftragter Gutachter, der Schweizer Geotechnikexperte Lukas Arenson, kam hingegen zu deutlich höheren Risikowerten von bis zu 30 Prozent.

Die Argumentation des Gerichts: Keine rechtliche Kausalität

Die zentrale rechtliche Frage war, ob die Emissionen eines einzelnen Unternehmens in einem kausalen Zusammenhang mit konkreten Klimaschäden gebracht werden können. Das OLG Hamm urteilte, dass ein solcher Nachweis nicht erbracht worden sei. Zwar wurde der Klimawandel als reales und ernstes Phänomen anerkannt, ebenso wie die zunehmende Bedrohung durch schmelzende Gletscher. Doch die entscheidende Kausalitätskette, von RWE-Emissionen über globale Klimaveränderung bis hin zur konkreten Gefährdung des Wohnhauses konnte juristisch nicht belegt werden.

RWE argumentierte bereits im Vorfeld, dass der Klimawandel ein globales Problem sei, das von Millionen Einzelverursachern, vom Industriekonzern bis zum Autofahrer mitverursacht werde. Eine gerichtliche Einzelfallhaftung einzelner Akteure sei deshalb nicht möglich. Ein Unternehmenssprecher betonte, dass Klimaschutz vorrangig eine Aufgabe von Staaten und multilateralen Abkommen sei.

Internationale Relevanz und potenzielle Folgen für Konzerne

Ein Schuldspruch gegen RWE hätte internationale Signalwirkung gehabt. Er hätte möglicherweise eine Kaskade von Folgeklagen gegen andere große Emittenten ausgelöst, darunter auch multinationale Öl- und Gaskonzerne. Die Reaktionen an den Kapitalmärkten wären wohl nicht ausgeblieben. Institutionelle Anleger beobachten solche Verfahren zunehmend aufmerksam, da sie ESG-Risiken (Environmental, Social, Governance) einschätzen müssen, die sich auf langfristige Unternehmensbewertungen auswirken können.

Das Urteil schützt RWE und andere Emittenten vorerst vor einer juristischen Haftung für globale Klimaschäden. Dennoch wird der Präzedenzfall als ein wichtiges Signal in der globalen Debatte gewertet – insbesondere von NGOs und Umweltorganisationen. Denn das Verfahren zeigt, dass nationale Gerichte bereit sind, sich mit solchen Fragen intensiv auseinanderzusetzen, auch wenn sie juristisch schwer zu fassen sind.

Einschätzung und Ausblick

Juristisch ist das Verfahren mit dem heutigen Urteil abgeschlossen. Doch gesellschaftlich und politisch wird die Diskussion weitergehen. Während sich RWE auf seine Strategie der Dekarbonisierung konzentriert – etwa durch den angekündigten Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2030 und Investitionen in erneuerbare Energien, bleiben rechtliche Auseinandersetzungen um Klimafolgen eine potenzielle Belastung für das Unternehmen und die Branche.

Auch wenn der Fall Lliuya juristisch gescheitert ist, könnte er politische Prozesse beeinflussen. So fordern Umweltverbände nun verstärkt gesetzliche Regelungen, um die Klimafolgenhaftung zu klären. Einige Länder, etwa Frankreich und die Niederlande, haben bereits nationale Klimagesetze mit klaren Zielvorgaben etabliert. Deutschland diskutiert weiterhin über ein Klimaanpassungsgesetz, das staatliche Verantwortung regeln soll.

Für Unternehmen wie RWE bedeutet das: Die rechtlichen Risiken mögen im Moment gering sein – der politische und gesellschaftliche Druck bleibt jedoch hoch.


Werbung

Für dich aus unserer Redaktion zusammengestellt

Dein Kommentar zum Artikel im Forum

Jetzt anmelden und diskutieren Registrieren Login

Hinweis: ARIVA.DE veröffentlicht in dieser Rubrik Analysen, Kolumnen und Nachrichten aus verschiedenen Quellen. Die ARIVA.DE AG ist nicht verantwortlich für Inhalte, die erkennbar von Dritten in den „News“-Bereich dieser Webseite eingestellt worden sind, und macht sich diese nicht zu Eigen. Diese Inhalte sind insbesondere durch eine entsprechende „von“-Kennzeichnung unterhalb der Artikelüberschrift und/oder durch den Link „Um den vollständigen Artikel zu lesen, klicken Sie bitte hier.“ erkennbar; verantwortlich für diese Inhalte ist allein der genannte Dritte.


Weitere Artikel des Autors

Themen im Trend

OSZAR »