Die Baumarktbranche in Deutschland erlebt derzeit eine tiefgreifende Umstrukturierung. Nachdem die Corona-Jahre kurzfristig für steigende Umsätze gesorgt hatten, kehrt nun wirtschaftlicher Realismus zurück. Die Umsätze stagnieren nicht nur, sie sinken: Von 22,14 Milliarden Euro im Jahr 2019 fiel das Marktvolumen laut Handelsverband auf 20,92 Milliarden Euro im Jahr 2023. Damit hat sich die bereits seit Jahren abzeichnende Sättigung des Marktes manifestiert.
Hinzu kommt ein verändertes Konsumentenverhalten. Heimwerken verliert an Bedeutung, Baumärkte kämpfen mit rückläufigen Kundenfrequenzen und einem enormen Flächenüberhang. Standorte mit bis zu 30.000 Quadratmetern Verkaufsfläche - einst das Rückgrat der Branche, erweisen sich zunehmend als ineffizient und kostenintensiv. Die Folge: Restrukturierungen, Standortschließungen und der Umbau von Geschäftsmodellen.
Exemplarisch zeigt sich der Druck am Beispiel der Dortmunder Baumarktkette Hellweg. Eigentümer Markus Semer plant die Schließung von mindestens sieben weiteren Standorten, nachdem bereits die Märkte in Hanau und Münster aufgegeben wurden. Intern wird der Schritt als „Befreiungsschlag“ kommuniziert. Die Refinanzierung mit Banken steht offenbar kurz vor dem Abschluss. Gleichzeitig beendete Hellweg die Einkaufskooperation mit Rewe, nachdem eine Übernahme durch die Kölner Handelskette gescheitert war.
Hellweg betreibt rund 130 Märkte unter den Marken Hellweg und Baywa. Das Unternehmen sucht nun nach neuen strategischen Partnern, Gespräche mit der Hagebau-Gruppe blieben bislang erfolglos.
Während kleinere Ketten konsolidieren müssen, nutzen Marktführer wie Obi die Schwäche der Konkurrenz gezielt aus. Die Tengelmann-Tochter hat in diesem Jahr bereits fünf Hagebau-Verbundpartner mit 18 Standorten übernommen - ein Umsatzvolumen von rund 200 Millionen Euro. Ziel ist es, wieder die Marktführerschaft zu übernehmen, die zuletzt Bauhaus aufgrund höherer Flächenproduktivität erringen konnte.
Obi setzt dabei konsequent auf Effizienz: Mit rund 1500 Euro Umsatz pro Quadratmeter liegt das Unternehmen allerdings noch deutlich hinter Bauhaus (2300 Euro) und Hornbach (nahezu 3000 Euro). Dennoch konnte Obi 2023 seinen Umsatz in Deutschland stabil bei 4,2 Milliarden Euro halten und das operative Ergebnis um 100 Millionen Euro steigern - ein deutliches Zeichen für die Wirksamkeit der eingeschlagenen Strategie.
Durch gezielte Übernahmen in der Schweiz (13 neue Standorte) und die gezielte finanzielle Unterstützung neuer Franchisepartner will Obi weiter wachsen. Firmenchef Sebastian Gundel verfolgt ein klares Ziel: Marktführerschaft durch Expansion, Effizienz und Markenbindung.
Bauhaus, mit Hauptsitz in der Schweiz, ist ein Paradebeispiel für Flächeneffizienz. Ohne signifikante Erweiterung des Filialnetzes gelang es dem Unternehmen, durch Prozessoptimierungen und Sortimentsanpassungen die Flächenproduktivität auf über 2300 Euro pro Quadratmeter zu steigern. Die genaue Unternehmensstruktur und Zahlen sind aufgrund der privaten Eigentümerschaft nicht öffentlich zugänglich, dennoch gilt Bauhaus derzeit als Benchmark der Branche.
Hornbach, mit Sitz in Bornheim (Rheinland-Pfalz), konnte im Geschäftsjahr 2024/25 ebenfalls zulegen. Der Umsatz stieg um 0,6 % auf 6,2 Milliarden Euro, das operative Ergebnis (Ebit) um rund 12 % auf 252,7 Millionen Euro. Die Dividende bleibt mit 2,40 Euro je Aktie stabil.
Trotz dieser positiven Kennzahlen reagierten Anleger empfindlich auf den vorsichtigen Ausblick des Konzerns: Die Aktie verlor nach Veröffentlichung der Prognose fast 12 %. CEO Albrecht Hornbach erklärte, dass man mit einem Umsatz auf Vorjahresniveau und einem stagnierenden Ebit rechne - aufgrund der unsicheren globalen Wirtschaftslage, geopolitischer Risiken und schwächelnder Konsumlaune.
Langfristig sieht Hornbach jedoch positive Entwicklungen: steigende Reallöhne, sinkende Zinsen und eine rückläufige Inflation könnten mittelfristig für Auftrieb sorgen. Zudem begrüßt das Unternehmen das geplante Infrastrukturprogramm der Bundesregierung als potenziellen Impulsgeber.
Die Hagebau-Gruppe, ursprünglich als starke Verbundorganisation von mittelständischen Händlern positioniert, hat in jüngster Zeit deutlich an Boden verloren. Die Flächenproduktivität liegt mit rund 1300 Euro je Quadratmeter am unteren Ende der Branche. Hinzu kommen interne Umstrukturierungen: Über 70 Stellen in der Zentrale wurden gestrichen, das Budget um rund zehn Millionen Euro gekürzt. Der langjährige Geschäftsführer Jan Buck-Emden verließ das Unternehmen Ende 2024, ohne Nachfolger.
Verbundgruppen wie Hagebau geraten durch Franchise-Systeme wie die von Obi und Toom zunehmend unter Druck. Handelsexperten bezweifeln die Zukunftsfähigkeit klassischer Verbundmodelle, wenn sie ihren Mitgliedern keinen klaren Mehrwert mehr bieten können. Der Verlust von Partnern führt nicht nur zu einem Rückgang des Einkaufsvolumens, sondern schwächt auch die Verhandlungsmacht gegenüber Lieferanten.
Toom, Tochter der Rewe-Gruppe, plant ebenfalls eine stärkere Positionierung im Markt durch den Ausbau seines Franchise-Netzwerks. Bereits 30 Standorte werden aktuell von selbstständigen Partnern betrieben, weitere sollen folgen. Vorstand Jan Kunath macht deutlich, dass man gezielt nach Übernahmemöglichkeiten bei angeschlagenen Wettbewerbern sucht.
Ein Übernahmeversuch von Hellweg scheiterte jedoch an Preisverhandlungen. Dennoch bleibt Toom bei seiner Wachstumsstrategie in Deutschland, da das Unternehmen, anders als Obi keine Auslandsmärkte bedient. Die Rewe-Gruppe sieht im Franchise-Modell langfristig die Möglichkeit, flexibler und effizienter auf Marktveränderungen zu reagieren.
Der Strukturwandel in der Baumarktbranche wird sich in den kommenden Jahren weiter beschleunigen. Die derzeitige Wettbewerbsdichte in Deutschland ist außergewöhnlich hoch im internationalen Vergleich. Während in den USA oder Großbritannien ein Marktführer oft 40 bis 50 % Marktanteil hält, ist der deutsche Markt weit fragmentierter. Dies wird sich nach Einschätzung von Branchenführern wie Sebastian Gundel (Obi) ändern.
Die entscheidenden Erfolgsfaktoren werden künftig Flächeneffizienz, Kapitalbindung, Lieferkettenresilienz und Markenbindung sein. Unternehmen, die ihre Strukturen nicht an die geänderten Rahmenbedingungen anpassen, riskieren den Verlust ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Franchise-Modelle, Digitalisierung und die strikte Ausrichtung auf profitable Standorte gewinnen an Bedeutung.
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